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Fakten zur Autonomie

Das nachfolgende 10-minütige Video beschreibt Südtirols langen Weg von einer bedrohten Minderheitenregion zu einer autonomen Provinz mit Modellcharakter, die von einer starken Selbstverwaltung geprägt ist. Das Video legt besonderen Augenmerk auf die Erklärung der einzelnen Mechanismen, die das Zusammenleben der drei Sprachgruppen in der Autonomie ermöglichen. Es ist in sechs Sprachen (Deutsch, Italienisch, Englisch, Arabisch, Mandarin und Russisch) mit Untertiteln auf unserem YouTube Kanal „Autonomy Experience“ verfügbar.

Südtirol ist die nördlichste Provinz in Italien, die sich durch eine territoriale Autonomie und das friedvolle Zusammenleben der deutsch-, italienisch- und ladinischsprachigen Bevölkerung auszeichnet. Südtirol ist – bedingt durch die Existenz der Sprachminderheiten und als Teil der Autonomen Region Trentino-Alto Adige/Südtirol – Teil einer der fünf Autonomen Regionen mit Sonderstatut in Italien. Im Laufe der Zeit hat die Autonome Region eine bedeutende Anzahl an Staatskompetenzen erhalten, welche über die Jahre an die beiden Autonomen Provinzen Bozen-Südtirol und Trient-Trentino übertragen wurden. Dank seiner weitreichenden, autonomen Befugnisse und Konfliktlösungsmechanismen gilt das Südtiroler Autonomiemodell heute als eines der erfolgreichsten Power-Sharing Modelle der Welt.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war Südtirol Teil des Österreichisch-Ungarischen Reiches und wurde 1919 durch den Vertrag von Saint-Germain-en-Laye Teil Italiens. Nach der Machtübernahme des Faschismus in Italien im Jahr 1922 wurde Südtirol einer starken Italianisierung unterworfen. Die deutsche Sprache wurde in Schulen verboten und deutsches Verwaltungspersonal entlassen. Das sogenannte „Optionsabkommen“ von 1939 zwischen Mussolini und Hitler stellte die deutschsprachige Bevölkerung vor die Wahl, entweder ins Deutsche Reich umzusiedeln oder in Südtirol zu bleiben, mit der Aussicht italianisiert zu werden. Nach dem 2. Weltkrieg wurde Südtirol durch das internationale „Gruber-De Gasperi-Abkommen“ (1946) zwischen Italien und Österreich weitreichende Gesetzgebungs- und Verwaltungsbefugnisse zum Schutz der deutschsprachigen Minderheit zugesprochen.

Nach einem nicht zufriedenstellenden Ersten Autonomiestatut von 1948 wurden von Mitte der 1950er bis zum Ende der 1960er Jahre zähe politische Verhandlungen geführt, die teils von Gewalt und Bomben begleitet wurden. Im Jahr 1972 wurde das Zweite Autonomiestatut erlassen. Dieses übertrug die Mehrzahl der Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen von der Autonomen Region Trentino-Alto Adige/Südtirol an die Autonome Provinz Bozen. Das Zweite Autonomiestatut ist auch heute noch in Kraft und gilt als der Grundstein der Südtiroler Autonomie.

Rechtlich gesehen hat das Zweite Autonomiestatut von 1972 Verfassungsrang und kann nur im Wege der Verfassungsgesetzgebung abgeändert werden. Die ordentliche Gesetzgebung kann weder in die Bestimmungen des Statuts eingreifen noch diese ändern. Das Statut wurde hauptsächlich durch sogenannte Durchführungsbestimmungen umgesetzt, die in Sonderkommissionen und bilateralen Verhandlungen mit dem Staat ausgearbeitet wurden. Sonderverfahren, Kooperationsmechanismen und finanzielle Autonomie garantieren das breite Spektrum der autonomen Gesetzgebungs- und Verwaltungsbefugnisse Südtirols.

In Südtirol wird das Zusammenleben der Sprachgruppen maßgeblich durch den ethnischen Proporz geregelt. Der Proporz ist eine gesetzliche Regelung, die in Südtirol bei der Vergabe von Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst, bei der Verteilung von öffentlichen Sozialleistungen und von Budgetmitteln der Landesverwaltung zur Anwendung kommt.

Wesentlich dafür ist eine Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung, welche die zahlenmäßige Stärke der Sprachgruppen ermittelt. Für die/den Einzelne/n ist die  persönliche Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung erforderlich, wenn sie/er eine Anstellung anstreben, die laut Proporz jeweils nur einer bestimmten Sprachgruppe vorbehalten ist, wie zum Beispiel Stellen im öffentlichen oder politischen Dienst. Personen, welche sich keiner der drei offiziellen Sprachgruppen zugehörig erklären möchten, können sich als „anders“ deklarieren, müssen sich aber trotzdem zur Ausübung der Rechte einer der drei Sprachgruppen angliedern.

In Südtirol ist die deutsche Sprache der italienischen Sprache gleichgestellt: Deutschsprachige Südtiroler*innen haben das Recht, die deutsche Sprache im Umgang mit der öffentlichen Verwaltung und vor Gericht zu verwenden. In den ladinischen Tälern trifft diese Regelung auch auf die ladinische Sprache zu.

Südtirol hat eine Vielzahl von Medien (Fernsehen, Radio, Zeitungen) in deutscher, italienischer und ladinischer Sprache. Die Europäische Vereinigung von Tageszeitungen in Minderheiten- und Regionalsprachen (Midas) hat ihren Sitz in Südtirol.

Südtirol hat ein getrenntes Schulsystem, welches auf einsprachigem Unterricht in Deutsch und Italienisch basiert, die jeweils andere Sprache wird als Zweitsprache unterrichtet. Das ladinische Schulmodell basiert hingegen auf einem möglichst ausgewogenen Unterricht in allen drei Sprachen (Ladinisch, Deutsch, Italienisch). Eltern können die Schule für ihre Kinder frei wählen.

Die wichtigsten politischen Organe in Südtirol sind der Landtag, die Landesregierung und der Landeshauptmann.

Der Landtag besteht aus 35 Politiker*innen und stellt die Legislative Südtirols dar. Er wird für fünf Jahre gewählt. Die Landesregierung als Exekutive setzt die vom Landtag verabschiedeten Gesetze um. Die Zusammensetzung der Landesregierung muss die im Landtag vertretenen Sprachgruppen widerspiegeln. Der Landeshauptmann vertritt das Land Südtirol.

Südtirols Autonomie gilt heute als einer der erfolgreichsten Konfliktlösungsmechanismen – mit der Folge, dass sie von lokalen und internationalen Fachleuten und Forschenden studiert wird. Viele Faktoren haben zur Konfliktlösung beigetragen. Am wichtigsten war dabei die Machtteilung zwischen den Sprachgruppen, die den Konflikt entschärfte und ein friedliches Zusammenleben zwischen den Sprachgruppen ermöglichte.

Auf seinen Erfahrungsschatz aufbauend kann Südtirol heute auf viel Wissen im Bereich des Minderheitenschutzes und der Autonomie zurückgreifen und diesen mit anderen Realitäten teilen.

Für weitere Informationen, weiterführende Literatur und Informationen zu Weiterbildungsmöglichkeiten stehen Ihnen unsere Mitarbeiter*innen gerne zur Verfügung.

Policy Brief

Der Policy Brief analysiert die jüngsten autonomiepolitischen Entwicklungen in Südtirol. Die behandelten Themenfelder umfassen die Landtagswahl, neue Durchführungsbestimmungen, Finanzen, die Sprachgruppenzählung sowie aktuelle schulpolitische Debatten.

Podcasts

Autonomie und Minderheitenschutz sind im Leben und Alltag der Südtiroler und Südtirolerinnen zwar allgegenwärtig. Oft wird von den Menschen, die in Südtirol leben, aber nicht bewusst wahrgenommen, welche Bedeutung Südtirols Autonomie und der Minderheitenschutz für jeden Einzelnen und die Gesellschaft als Ganzes in sich birgt. Die Mehrsprachige Podcast-Reihe „Understanding Autonomy“ verfolgt genau dieses Ziel: die Autonomie verstehen lernen. Zu Wort kommen Fachleute, die sich in unterschiedlichen Feldern mit dem Thema Autonomie beschäftigen und Einblicke in spezifische Fragen der Südtirol-Autonomie geben.

Die Landesagentur für Presse und Kommunikation hat gemeinsam mit dem Center for Autonomy Experience von Eurac Research insgesamt zehn Episoden zu verschiedenen Themen geplant. „In der ersten Folge geht es um die grundlegende Frage, was Autonomie eigentlich ist“, erklärt der Leiter des Centers for Autonomy Experience, Marc Röggla. „Im weiteren Verlauf werden die historischen Hintergründe oder die rechtlichen Grundlagen der Südtirol-Autonomie beleuchtet. Die Rolle der Autonomie für Südtirols Jugend und die Sprachgruppen stehen ebenfalls im Fokus.“

„Understanding Autonomy“-Podcasterin ist die Journalistin Anita Rossi. Nadia Rungger übernimmt in der ladinischen Folge diese Rolle. Produziert wurde der Podcast im Tonstudio von Radio Grüne Welle.

Für die ladinische Folge „Autonomia y la rujeneda ladina“ sind auch die Transkriptionen verfügbar, auf Deutsch, Italienisch und Ladinisch.

Da der Podcast auch gut in den Unterricht eingebunden werden kann, haben wir ein begleitendes Arbeitsblatt erstellt, das hier heruntergeladen werden kann.

Autonomy Experience, die Vereinigten Bühnen Bozen und das Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck haben den Podcast „Option. Stimmen der Erinnerung. Le Opzioni in Alto Adige Südtirol“ produziert.

Option bedeutet eine Wahlmöglichkeit zu haben. Optionen im Leben zu haben wird meist positiv aufgefasst. Für Südtirol hingegen ist die Option eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte. Die Bevölkerung stand vor einer fast unmöglichen Entscheidung: „Dableiben“ und sich damit für Wohnort und Heimat zu entscheiden – jedoch mit der Aussicht, die deutschsprachige Identität aufzugeben oder „Optieren“ für das Deutsche Reich, um Muttersprache und Traditionen zu wahren, dabei aber Südtirol als Heimat zu verlieren.

Im Podcast geben Südtiroler Zeitzeug*innen  Einblicke in ihre Gefühlswelt und erzählen aus erster Hand von ihren Erinnerungen. Die Option wird im Podcast außerdem von ausgewählten Expert*innen beleuchtet.

Politika

Politika ist das Jahrbuch der Südtiroler Gesellschaft für Politikwissenschaft. Die Publikation fördert politikwissenschaftliche Forschung in Südtirol und präsentiert Forschungsergebnisse zur politischen Wirklichkeit Südtirols.  Herzstück jeder Ausgabe ist das Jahresthema, das von verschiedenen AutorInnen aus unterschiedlichen Perspektiven analysiert wird. Südtirols Nachbarländer Tirol und Trentino werden mitberücksichtigt. Dies ist der Open-Access-Katalog der Politika und alle Interessierte können auf die Artikel der Politika zugreifen.