Dieser Policy Brief bietet einen Überblick über die jüngste Reform des Autonomiestatuts.
Vor allem im Zuge der italienischen Verfassungsreform von 2001, aber auch schon davor, hat die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu einer zunehmenden Einschränkung der autonomen Gesetzgebungsbefugnisse Südtirols geführt. Ausgangspunkt der Verhandlungen war eine entsprechende Erklärung der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni im Jahr 2022. Von Seiten Südtirols gab es einen entsprechenden Reformvorschlag für die Region Trentino-Südtirol, den Landeshauptmann Arno Kompatscher im Mai 2024 im Südtiroler Landtag präsentierte. Nach langen Verhandlungen zwischen dem Staat und der Region wurde im April 2025 ein Ergebnis erzielt.
Veröffentlicht am 15.04.2025
Marc Röggla
Sprachliche und symbolische Anpassungen
Die Terminologie des Autonomiestatuts wird an die in der Verfassungsreform von 2001 eingeführten Begriffe angepasst. So erfolgt eine Änderung der Bezeichnung von „Region Trentino-Alto Adige“ zu „Region Trentino-Alto Adige/Südtirol“ sowie der Begriffe „Provinz“ bzw. „Provinzen“ zu „autonome Provinz“ bzw. „autonome Provinzen“.
Schranken der Autonomie (Art. 4 ASt. und Art. 5 ASt.)
Die Schranken der Autonomie werden abgeändert. Die bisherige Schranke der „grundlegenden Bestimmungen der wirtschaftlich-sozialen Reformen der Republik“ wird gestrichen und die Schranken, die sich aus den „Grundsätzen der Rechtsordnung der Republik“ ergeben, werden künftig als „allgemeine Grundsätze der Rechtsordnung der Republik“ bezeichnet. Aufrechterhalten werden hingegen die Grenzen, die sich aus der Verfassung, dem nationalen Interesse, dem Unionsrecht und den internationalen Verpflichtungen ergeben. Das Grundprinzip zum Schutz sprachlicher Minderheiten wird ebenso bestätigt.
Die primäre Gesetzgebungskompetenz der Region und autonomen Provinzen wird ausdrücklich als „ausschließliche Gesetzgebung“ bezeichnet. Bei den konkurrierenden Gesetzgebungskompetenzen wird die Schranke mit „wesentlichen Grundsätze“ präzisiert (nicht mehr nur „Grundsätze“).
Ausweitung und Präzisierung der autonomen Zuständigkeiten (Art. 4, Art. 8 und Art 9 ASt)
Die autonome Zuständigkeit wird in mehreren Bereichen erweitert:
Ziffer 1: Bei der Regelung der Landesämter und Personal wird die Zuständigkeit für die Regelung des Arbeitsverhältnisses und der Kollektivverträge ergänzt.
Ziffer 5: Die Zuständigkeit im Bereich Raumordnung wird mit der Bezeichnung Raumentwicklung umfassender definiert und schließt Bauwesen, Raumordnung und Bauleitplanung ein.
Ziffer 17: Die Zuständigkeit erstreckt sich nun auf Straßenwesen, Wasserleitungen und öffentliche Verträge einschließlich Vergabeverfahren samt Phase der Vertragsausführung für Bau-, Dienstleistungs- und Lieferaufträge.
Ziffer 19: Die Zuständigkeit erstreckt sich auf die Übernahme in Eigenverwaltung, Errichtung, Organisation, Betrieb und Regulierung von öffentlichen Diensten im provinzialen und lokalen Interesse, einschließlich der Abfallwirtschaft.
Ziffer 24: Eine neue Zuständigkeit für kleine und mittlere Wasserableitungen zu hydroelektrischen Zwecken wird eingeführt.
Neue Ziffern 29-bis und 29-ter: Neu eingeführt werden Zuständigkeiten im Bereich Umweltschutz und Ökosystem, einschließlich Wildtiermanagement, sowie im Bereich Handel. Letzterer wird folglich aus dem konkurrierenden Kompetenzbereich (Art. 9) gestrichen.
Neue Befugnisse der Landeshauptleute (Art. 20 ASt.)
Die Landeshauptleute erhalten Befugnisse im Bereich öffentlicher Sicherheit mit Bezug auf das Wildtiermanagement. Zuständigkeiten im Bereich Waffenrecht und Munition, Erteilung von Genehmigungen sowie Sanktionswesen verbleiben hingegen beim Staat.
Wahlrecht und Ansässigkeitsklausel (Art. 25 ASt.)
Die Ansässigkeitsklausel wird abgeändert. Bisher war für das Wahlrecht eine Ansässigkeit von vier Jahren in der Autonomen Region Trentino-Südtirol vorgesehen. Nun ist für die Ausübung des aktiven Wahlrechts in der Provinz Bozen ein ununterbrochener Wohnsitz im Gebiet der Region von zwei Jahren erforderlich. Für das aktive Wahlrecht in der Provinz Trient ist ein ununterbrochener Wohnsitz im Gebiet der Provinz von einem Jahr erforderlich.
Wenn man einen zweijährigen ununterbrochenen Wohnsitz in der Region erworben hat, wird man für die Landtagswahlen und Gemeindewahlen in die Wählerlisten der Gemeinde jener Provinz eingetragen, in der er die längste Wohnsitzdauer im Zweijahreszeitraum hatte oder, im Fall gleicher Dauer, in der zuletzt bewohnten Gemeinde.
Eine weitere Neuerung betrifft den sogenannten historischen Wohnsitz: Wenn man den Wohnsitz in die Provinz Trient oder Bozen verlegt, wird man unmittelbar nach der Wohnsitzverlegung in die Wählerlisten der entsprechenden Provinz eingetragen, wenn man einen früheren Wohnsitz dort hatte und bereits die Voraussetzungen für das aktive Wahlrecht in der Provinz erfüllt.
Anfechtung der Landesgesetze vor dem Verfassungsgerichtshof (Art. 47, Art. 55 ASt. und Art. 98 ASt.)
Diese Neuerung schafft Klarheit über die Beurkundung bzw. die Frist zur Anfechtung von Landesgesetzen durch den Staat: Landesgesetze bzw. Regionalgesetze werden innerhalb von 30 Tagen durch den Landeshauptmann bzw. Präsidenten der Region beurkundet. Der Staat kann Landesgesetze innerhalb von 30 Tagen beim Verfassungsgericht anfechten.
Künftig beschließt die Landesregierung und nicht der Südtiroler Landtag über die Anfechtung von Staatsgesetzen.
Regelungen zur Bildung von politischen Organen auf Landes- und kommunaler Ebene (Art 50 ASt. und Art. 61 ASt.)
Es wird eingeführt, dass der Südtiroler Landtag mit absoluter Mehrheit beschließen kann, dass die Zusammensetzung der Landesregierung sich nach dem Ergebnis der letzten Sprachgruppenzählung richtet. Wird dies nicht beschlossen, richtet sich die Zusammensetzung weiterhin nach der Sprachgruppenstärke im Südtiroler Landtag.
Im Falle einer ladinischen Vertretung in der Landesregierung wird die Aufteilung der weiteren Regierungsmitglieder im Verhältnis zu den übrigen Sprachgruppen geregelt.
In Gemeinden der Provinz Bozen kann bei Vorhandensein nur eines Gemeinderatsmitglieds einer Sprachgruppe (bisher zwei) der Gemeinderat mit absoluter Mehrheit dessen Vertretung im Gemeindeausschuss beschließen.
Abänderung des Autonomiestatuts – Einvernehmungsklausel (Art. 103 ASt.)
Die Änderung des Autonomiestatuts ist nun auch national durch ein Einvernehmen abgesichert. Die Änderung kann nicht mehr einseitig durch das italienische Parlament erfolgen, sondern muss mit absoluter Mehrheit im Regionalrat und den beiden Landtagen angenommen werden. Grundlage ist dabei der genehmigte Text der ersten Lesung im italienischen Parlament.
Wird die Änderung vom Landtag bzw. dem Regionalrat nicht genehmigt, können die Kammern die Änderungen in zweiter Lesung mit absoluter Mehrheit ihrer Mitglieder beschließen, wobei die bereits anerkannten Autonomieregelungen unberührt bleiben müssen.
Aufwertung der Durchführungsbestimmungen (Art. 107 ASt.)
Die Durchführungsbestimmungen sollen neben auch Regelungen zur Harmonisierung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Staat und Region/Provinzen ermöglichen.